Zwergenaufstand



Kapitel 1



Mit bebender Unterlippe und Tränen in den blauen Kulleraugen saß Leni auf Fynns Arm und kuschelte sich an diesen, während Silas ungeduldig neben Dominique stand und an dessen Hand zupfte.

„Will gehen“, quäkte der Fünfjährige und schob trotzig die Unterlippe nach vorn.

„Willst du den beiden denn nicht zum Abschied winken?“, schlug Dom vor und musste sich ein Grinsen verkneifen, als der kleine Junge daraufhin wüst mit dem Kopf schüttelte, sodass die blonden Haare nur so flogen.

„Will gehen!“, beharrte dieser weiterhin und blickte auffordernd zu seinem Onkel hinauf, als erwartete er, dass dieser postwendend seinem Wunsch nachkam.

„Gleich, siehst du? Sie winken noch mal“, damit zeigte Dominique auf das Paar, welches in der Schlange zum Einchecken stand und sie beobachtete. Andreas und Shannon wirkten daraufhin betont fröhlich, doch Dom sah seiner Schwester an, dass sie beim Anblick ihrer Kinder, und vor allem beim heulenden Elend ihrer Tochter, am liebsten ihre Reise gekänzelt hätte. Auch Andreas schien dies zu bemerken und griff entschlossen nach der Hand seiner Frau und zog sie weiter. Obwohl ihm ebenfalls, wie Dom ganz genau wusste, das Ganze nicht schmeckte, würde er sicherlich nicht zulassen, dass Shannon ihn in letzter Sekunde doch noch im Regen stehen ließ.

„Maaaaann“, schnaubte Silas, ließ sich dann aber zu einem kurzen Winken herab, während seine Schwester schluchzte.

„Wir machen uns eine ganz tolle Zeit, hm Leni?“, versuchte Fynn die Kleine aufzumuntern und wischte ihr sanft eine dicke Träne von den geröteten Wangen. Stumm nickte das Mädchen und steckte sich einen Daumen in den Mund, wirkte allerdings nicht sonderlich überzeugt.

„Das is' ekelig“, plärrte Silas. „Und Mama sagt, du sollst das nicht!“

„Bäh!“, trotzig streckte Leni ihrem Bruder daraufhin die Zunge raus. „Du sollst auch keine Gummibärchen vor dem Essen essen, tust es aber auch!“

„Petze!“

„Selber Petze!“


~.~


Erleichtert atmete Fynn auf als Leni dank des Streits mit ihrem Zwillingsbruder ihren Abschiedsschmerz einen Moment vergaß.
Ich bin so was von geliefert, seufzte Fynn insgeheim, als er an die zwei Wochen dachte, die ihm bevorstanden und in denen sie nun für die beiden verantwortlich sein würden.
Zwei Wochen, und das, wenn sie Glück hatten und Andreas’ Vater nicht länger brauchte, um wieder auf die Beine zu kommen. 

Dieser lag nach einem Autounfall mit einem Arm- und Beinbruch im Krankenhaus und benötigte nun, da er seit der Scheidung vor vier Jahren alleine in Südfrankreich lebte,  die Hilfe seines Sohnes und seiner Schwiegertochter. Sehr zum Missfallen aller Beteiligten.
Aus diesem Grund hatten Shannon, Andreas, Dom und er auch in den letzten Tagen hin- und herüberlegt und waren schließlich zu dem Entschluss gekommen, dass die Zwillinge in dieser Zeit besser bei ihnen bleiben sollten, bis Shannon und Andreas alles geregelt und Herr Gröning eine Hilfe organisiert hatten. Was, wie Andy bereits düster prophezeit hatte, bei seinem Griesgram von Vater kein Kinderspiel sein würde.

Wo war bloß sein Hirn gewesen, als er verkündet hatte, das sei doch gar kein Problem und er und Dom würden dies locker schaffen?
Immerhin war das höchste der Gefühle bis dato mal ein verlängertes Wochenende, an dem die Geschwister bei ihnen gewesen waren und Shan und Andy bei Katastrophenalarm nur einen Anruf entfernt.
 
Allerdings hatten auch die Zwillinge bei der Aussicht gerade jetzt zu verreisen, heftig protestiert, stand doch morgen der sechste Geburtstag von Liza, Max’ Ältesten an und sie hatten doch schon ein Geschenk. Und plötzlich wollte Leni den Plüschpinguin auch gar nicht mehr für sich selbst.
Die Chancen für morgen die beiden somit ohne großes Theater ins Bett zu bekommen, standen damit Fynns Meinung nach gar nicht so schlecht. Wahrscheinlich würden sie schon auf der Heimfahrt einschlafen. Wenn er allerdings an den heutigen Abend dachte ...

Schnell tauschte er nun mit seinem Freund einen Blick, der daraufhin mit dem Kinn zum Ausgang wies. Nichts lieber als das, und so folgte er Dom bereitwillig durch das Flughafengebäude und das Gewirr von Menschen, die an- oder abreisten.

„Es waren gar nicht so viele Gummibärchen“, erklärte Silas Dominique lautstark, während er dessen Hand haltend neben seinem Onkel herumhopste. Von Abschiedsschmerz keine Spur, vielmehr war es für den Kleinen wohl alles ein großes Abenteuer.

„So?“, fragte Dom und versuchte dabei ernst zu bleiben.

„Nein, nur die Gelben“, bestätigte Silas und nun war es an Fynn, sich auf die Lippen zu beißen. Nicht nur rein äußerlich war der Junge eine Miniaturausgabe von Dominique.

„Du hast die ganzen Gelben aus der Tüte gesucht?“, wollte Dom von seinem Neffen wissen, der stolz nickte.

„Und so viele sind das gar nicht. Da sind immer viel, viel mehr Rote drin und die sind bäh“, plapperte Silas und machte Würgegeräusche.




Die Heimfahrt in der ausgeliehenen Familienkutsche gab Fynn dann auch gleich einen neuerlichen Vorgeschmack darauf, auf was sich seine Ohren und Nerven gefasst machen mussten. Die Zwillinge stritten in einer Tour darüber, was sie nun hören wollten – Benjamin Blümchen oder Bibi Blocksberg. Sie hatten sich immer noch nicht geeinigt, als sie auf dem Parkplatz des Schnellrestaurants anhielten, verstummten aber nun, als sie merkten, wo sie waren. Fortsetzung über die Macht des Hörspiels folgte wohl vor dem Schlafengehen, auf das sich Fynn jetzt schon freute.

Nun quietschten die beiden jedoch aufgeregt und diskutierten lebhaft, welches Spielzeug sie sich zu ihrem Kindermenü aussuchen würden. Und obwohl es sicherlich nicht das gesündeste Abendessen war, war Fynn doch froh über den Einfall seines Freundes. Es lenkte die Zwillinge ab und ihnen blieb das Kochen und der Abwasch erspart, auf welches Fynn heute nicht unbedingt erpicht war. Gut, war er nie, aber gerade heute wollte er sich seine Kräfte sparen. Er würde sie sicherlich noch brauchen.

Gut gelaut hüpften beide Kinder neben ihnen her und konnten es gar nicht erwarten, ihre Burger und das ersehnte Spielzeug, das dieses Mal die Form eines Plüschtiers aus einem Zeichentrickfilm hatte, zu erhalten.
Damit versorgt ging es ab in den Kinderbereich, welcher auch nicht gerade trommelfellfreundlich war. Die sollten vielleicht ein paar Oropax zu diesen Kindermenüs für die Eltern dazupacken, das wäre bestimmt der Verkaufshit.

Während Fynn damit beschäftigt war, für Leni ein Tütchen Mayonnaise zu öffnen und Dom sich gerade einen Bissen von seinem Burger gönnte, dauerte es Silas offenbar zu lange und er entschied, dass er sich eben selbst um seinen Ketchup kümmern würde. Mit dem Ergebnis, dass Fynn ein neues T-shirt Design bekam.
„Ich hab dir gesagt, zieh nichts Weißes an", war Doms einziger und wenig mitleidiger Kommentar. Doch zumindest wirkte Silas angemessen bedröppelt und murmelte ein „'tschuldigung“, bevor er sich über seinen Hamburger hermachte.
Nach dem Essen stürmte der Kleine zusammen mit seiner Schwester die Leuchtturmrutsche, und Fynn gestattete es sich, einen Moment durchzuschnaufen.

„Bereust du's schon?“, erkundigte sich Dom und schlürfte an seinem Getränk.

„Und wie!“, stöhnte Fynn übertrieben, fuhr sich durch die Haare und betrachtete Dominique, der seinerseits zur Rutsche blickte.
Fynn sah deutlich, dass der Tag auch bei ihm Spuren hinterlassen hatte. Doch sobald Dom seine Musterung bemerkte, lächelte er, müde aber unverkennbar glücklich.
So war es jedes Mal, wenn die beiden Knirpse bei ihnen waren. Sie schafften sie, ja, aber alleine dieser Ausdruck in den Augen seines Freundes war die ganzen Strapazen doppelt und dreifach wert.

„Nein, Quatsch. Natürlich nicht“, beschwichtigte er Dom daher. „Ich hab sie doch genauso gerne bei uns.“

„Ich muss mal“, mit diesen Worten lenkte Leni plötzlich die Aufmerksamkeit wieder auf sich und Fynn stöhnte innerlich auf – er korrigierte sich, außer bei Gelegenheiten wie diesen.

„Ich war letztes Mal, jetzt bist zu dran“, wandte er sich an Dom, der über diese Aussicht nicht sonderlich erfreut wirkte.

„Nein, ich war das letzte Mal“, behauptete dieser und krauste die Stirn, als überlegte er angestrengt, ob dies auch wirklich stimmte und er eine Chance hatte, dem Übel zu entgehen.

„Schatz, willst du vielleicht lieber Schnick, Schnack, Schnuck spielen?“, fragte Fynn süßlich und hatte nicht vor in dem Punkt locker zu lassen.

„Onkel Nick!“, quengelte Leni da und zog an dessen T-Shirtärmel. Ergeben seufzte dieser, kramte in seinem Rucksack nach den Desinfiziertüchern und trottete hinter Leni her, die nun seine Hand haltend das Damenklo ansteuerte.

Vor der Tür angekommen sah Dom sich noch einmal um und schickte das Mädchen dann hinein, um zu prüfen, ob die Luft rein war.
Früher waren sie auch auf das Herrenklo gegangen, was sowohl Dom wie Fynn selbst lieber gewesen war, doch seit einigen Monaten weigerte sich Leni strickt, diesen Ort aufzusuchen.
Bevor auch er, nachdem ihn Leni hineingewunken hatte, im Toilettenraum verschwand, blickte Dom noch einmal zu ihm zurück und Fynn konnte es sich nicht verkneifen, ihn mit einem Grinsen im Gesicht zuzuwinken. Nach Doms Miene zu urteilen stand er kurz davor, ihm die Zunge herauszustecken oder den Mittelfinger zu zeigen, so ganz sicher war sich Fynn da nicht, aber dann folgte Dominique seiner Nichte doch, ohne irgendetwas dergleichen zu tun. Schade irgendwie.

„Fynn!“, erklang es da plötzlich kläglich hinter ihm und erschrocken drehte er sich zur Seite. Silas hing seltsam verdreht und kopfüber am Kletternetz und machte einen eher grimmigen statt verzweifelten Eindruck. Schnell stand Fynn auf, um den Kleinen zu befreien. Denn obwohl der Boden mit weichen Matten ausgelegt war, wollte er dem Ego des Jungen einen Absturz ersparen. Okay, und seinen Nerven ein damit einhergehendes Geschmolle. In der Disziplin war Silas ein Meister.

„Was sollte das denn werden?“, wollte er wissen, als er Silas schließlich wieder auf den Boden stellte. Dieser strich sich ungestüm die Haare aus dem hochroten Gesicht.

„Ich wollte gucken, ob ich das auch kann“, erklärte er dann und sah erneut das Netz hinauf.

„Ob du was kannst?“, wollte Fynn wissen.

„Wir haben einen Film gesehen und der konnte das.“

„Welchen Film? Und wer konnte was?“, hakte Fynn nach, denn schlauer war er anhand dieser Erklärung immer noch nicht.

„Na Tarzan“, entrüstete sich Silas, der offensichtlich langsam die Geduld mit diesem begriffsstutzigen Erwachsenen verlor.

„Tarzan?“, echote Fynn und verdrehte insgeheim die Augen. Natürlich, Tarzan, da hätte er ja auch gleich drauf kommen müssen.

„Ja, der hing da auch so“, um es ihm anschaulicher zu machen, verdrehte sich Silas, sodass ihm erneut die Haare ins Gesicht fielen, fand dann aber anscheinend, dass man dies so nur ausreichend erklären konnte, und machte plötzlich Anstalten einen neuerlichen Anlauf auf dem Kletternetz zu wagen.

„Oh nein, Champ. Ich hab's auch so kapiert“, hielt ihn Fynn zurück und packte ihn am Hosenbund.

„Aber ich-“

„Hat dir deine Mama nicht erst letztens erklärt, was der Unterschied zwischen Filmen und dem tatsächlichen Leben ist?“, unterbrach Fynn ihn, woraufhin Silas ärgerlich die Stirn runzelte, dann aber nickte. Nun wanderte sein Daumen in den Mund. „Na siehst du. Außerdem ist Tarzan bei Affen aufgewachsen, und du nicht“, nach Silas Miene zu schließen war dieser sich da nicht ganz sicher und Fynn fuhr eilig fort: „Und man muss auch nicht alles nachmachen, was man da sieht. Oder willst du wie Tarzan Ameisen und Bananen essen?“

„Neeeeeeee“, quäkte Silas sofort und rümpfte die Nase. „Bananen sind bäh!“





***




Das erste Mal abends zu Bett bringen, klappte zu Fynns Überraschung ganz gut. Er hatte mit Abschiedsschmerz gerechnet, aber für die Zwillinge war alles wohl eher ein großes Abenteuer und besser als Krokodilstränen war dies allemal. Eingekuschelt und mit ihren Teddys versorgt lagen die Zwei allerdings nicht wie von Shannon vorgeschrieben um acht Uhr schlafend in ihrem Bett, sondern erst um Viertel vor neun. Aber es war der erste Abend, und für den Anfang nicht schlecht.

Wie von Shannon weiterhin angeordnet, gab es zwei Gutenachtgeschichten, nicht mehr, und wie von ihr vorhergesagt, versuchten die Zwillinge diese mit treuherzigen Kulleraugen auf drei zu erhöhen.

Die beiden durften sich jeweils eine aussuchen und dabei entscheiden, wer sie ihnen vorlas. Und an dieser Stelle wurde es dann doch leicht verzwickt, denn Leni war als Erste dran – sie spielten Schnick Schnack Schnuck – und wählte ihren Onkel. Das passte Silas so gar nicht, denn er wollte, dass sein Onkel seine Geschichte las und nicht die seiner Schwester.

Grummelig gab er sich schließlich doch mit Fynn zufrieden, den das Ganze mehr amüsierte als kränkte. Schließlich kannte er dieses Spielchen mittlerweile zur Genüge. Silas entwickelte beizeiten eine gehörige Portion Eifersucht, wenn es um Dominiques Aufmerksamkeit ging, gerade im Wettstreit mit seiner Schwester, die das eigentlich gar nicht so eng sah. Wenn es um eine weitere Geschichte ging, kannte Leni jedoch kein Pardon. Würden sie aber diesmal nachgeben, wie sie es in der Regel bei Wochenendbesuchen taten, würden die Zwillinge jeden Abend höher pokern. Zum Glück forderte die Erschöpfung bald ihr Tribut und gähnend gaben die beiden sich geschlagen.

Als endlich Ruhe herrschte, machte Fynn drei Kreuze und ließ sich erleichtert neben seinen Freund ins gemeinsame Bett fallen.

„Hat doch ganz gut geklappt, was?“, gähnte er. „Ich hab mit mehr Theater gerechnet.“

„Sag das mal nicht zu laut. Das war der erste Tag, bleiben noch dreizehn“, schmunzelte Dom. „Die wärmen sich erst auf.“

„Quatsch, das spielt sich schon alles ein und sie sind ja nicht das erste Mal hier.“

„Stimmt, nur war es da immer nur für ein Wochenende“, gab Dominique zu bedenken und sprach damit seine eigenen Befürchtungen aus. Es allerdings laut zu hören, war etwas Anderes und weckte irgendwie seinen Ehrgeiz. Immerhin schafften das andere Paare auch, warum sollten sie da also scheitern?

„Du elender Schwarzmaler“, spöttelte Fynn und knuffte Dom sanft in den Oberarm.

„Realist bitteschön“, meinte dieser und hob eine Braue.

„Pessimist“, hielt Fynn dagegen.

„Du willst streiten hm?“, murmelte Dom und lehnte sich mit blitzenden Augen zu ihm.

„An Streiten hab ich eigentlich nicht gedacht“, flüsterte Fynn grinsend, legte ihm eine Hand in den Nacken, um ihn zu sich zu ziehen und merkte plötzlich, dass er gar nicht so müde war, wie gedacht.
Na bitte, lief doch alles ganz wunderbar und sein schlechtes Gewissen, weil er Dominique morgen ganz alleine zu dem Kindergeburtstag schicken musste, verdrängte er – zumindest für eine Weile.





Kapitel 2




„Neeeeeeein, will nicht“, brüllte Silas und rannte kreischend durch den Flur. Überrascht sahen Fynn und Leni von ihrem Frühstück auf, als nun auch ein Augen verdrehender Dom an der offenen Küchentür vorbei kam.

„Du musst dich aber anziehen!“

„Neeeeeeein!“

Leni schüttelte über ihren Bruder nur den Kopf und löffelte ungerührt ihre Cornflakes weiter. Irgendetwas polterte, bevor wenig später Dom erneut an der Tür vorbeistapfte, einen lachenden zappelnden Silas über die Schulter geworfen.

Schmunzelnd legte Fynn seinen Löffel beiseite, vergewisserte sich, dass Leni versorgt war, und ging ihnen nach, um gegebenenfalls den Fluchtweg zu versperren. Der Kleine war manchmal dermaßen flink, da kam man gar nicht alleine gegen an.

„Wir wollen doch gleich zu Max und du spielst doch so gerne mit Liza und David“, versuchte Dom seinen Neffen zu überreden und zog ihm einen Pulli über den Kopf. Der verstrubbelte Blondschopf kam lachend zum Vorschein.

„Mit David ja, Mädchen sind doof.“

„Na hoffentlich änderst du in ein paar Jahren deine Meinung, sonst kriegt dein Papa 'nen Herzinfarkt“, murmelte Dom so leise, dass nur Fynn ihn verstehen konnte, da Silas gerade damit beschäftigt war, sich in den Ärmeln zu verheddern.

Amüsiert besah sich Fynn das Bild und plötzlich zog sich ihm das Herz zusammen. Die beiden sahen sich wirklich verblüffend ähnlich.
Dom hatte es zwar immer als Hirngespinst abgetan, aber trotzdem sah Fynn manchmal diese leise Sehnsucht, wenn Dom andere Familien betrachtete und egal wie stressig es mit den Zwillingen auch sein mochte, so glücklich erlebte er seinen Freund nicht oft.

Er selbst liebte die beiden Nervensägen ebenfalls, aber sein eigener Kinderwunsch war nie sonderlich ausgeprägt gewesen. Im Grunde war er so zufrieden, wie es jetzt war, doch stünde es in seiner Macht, hätte er Dom von Herzen gerne diesen unausgesprochenen Wunsch erfüllt.
Wäre ihr Leben anders verlaufen, hätte das hier vielleicht Dominiques Sohn sein können.

„So, fertig“, meinte dieser nun und strich Silas die Haare aus den Augen. „Und nun kämmen.“

„Neeeeeeein“, damit entschlüpfte Silas Doms Händen, schlug einen Haken und flitzte an Fynn vorbei.

Stöhnend stand Dom auf und Fynn verzog entschuldigend das Gesicht. „Sorry.“

„Schande, ich werd alt“, fluchte Dom und nahm erneut die Verfolgung auf.

„Was hat da vorhin eigentlich so gepoltert?“, rief Fynn ihm hinterher.

„Ach, nur einer deiner Staubfänger“, kam es gedämpft zurück und nun war es an Fynn, die Augen zu verdrehen. Klar, war ja auch nur sein Pokal.

„Fynn, bin fertig“, meldete sich da Leni und Fynn folgte lieber schnell ihrem Ruf, bevor noch etwas zu Bruch ging. Schließlich war sie schon groß und bewies dies gerne, indem sie aufräumte. Meinst mit verheerenden Folgen und er mochte seine Müslischalen. Doch als er zurück in die Küche kam, erwartete ihn glücklicherweise kein Scherbenhaufen, dafür jedoch ein vollgekleckertes Shirt.

Seufzend streckte er der Kleinen eine Hand entgegen. „Komm Prinzessin, wir kleiden Euch um.“

„Och nö“, protestierte Leni und peilte die Tür an.

„Nix da“, warnte Fynn und schnappte sie sich, bevor sie einen Anlauf starten konnte.

„Och Mensch“, beschwerte sie sich und Fynn konnte ihr nur zustimmen.



***



Diese Fahrt verlief anders als die gestrige, die Geschwister saßen in friedlicher Eintracht in ihren Kindersitzen auf der Rückbank und lauschten dem Hörspiel. Doch Fynn war sich bereits nach den ersten zehn Minuten lauter Hexhex nicht sicher, ob ihm die Streiterei nicht lieber gewesen wäre. Allerdings hätte es schlimmer kommen können, nämlich, indem der Elefant gewann und ihn mit seinem Tröten terrorisierte.

Glücklicherweise residierten Max und Nele nur eine halbe Stunde entfernt in ihrem netten Einfamilienhäuschen, in welches sie vor knapp zwei Jahren mit ihren zwei Rackern eingezogen waren. In Sachen Bilderbuchfamilie machten sie Dominiques Schwester und Schwager also gehörig Konkurrenz.

Auch wenn Max und Nele eigentlich gar nicht vorgehabt hatten, die klassische Reihenfolge zu befolgen, waren die zwei vor gut sechs Jahren in aller letzter Sekunde doch noch in Panik geraten und hatten kurz vor Lizas Geburt geheiratet.

Es war sehr spontan und in keinster Weise mit Shannons und Andys Feier zu vergleichen gewesen, doch um den Anzug war Dom als Max' Trauzeuge dennoch nicht herumgekommen. Genau wie bei Lizas Taufe, auch wenn er da nicht wie von Max zuerst gedacht als Pate fungierte – diesen Part übernahm er erst gut zehn Monate später als Max und Nele gleich David nachlegten.

Lars' Kommentar war damals gewesen: „Was haben die vor? Unser aller Defizit ausgleichen oder Karnickel neidisch machen?“

Fynns Gedanken waren zugegeben in eine ähnliche Richtung gegangen, denn von Dom wusste er, dass auch David, wie zuvor Liza, nicht geplant gewesen war.
Was allerdings nicht hieß, dass Max sich nicht zum Mustervater schlechthin mauserte. Er liebte die beiden abgöttisch und mittlerweile hatte er offenbar auch die Sache mit der Verhütung wieder im Griff. Familienplanung abgeschlossen, zumindest behauptete dies Max, worauf Fynn jedoch nicht wetten würde.

Nun warf er seinem Freund einen schnellen Seitenblick zu. An ihm nagte doch das schlechte Gewissen, weil er Dom der bevorstehenden Folter alleine aussetzte. Aber einen günstigeren Zeitpunkt um seinen Artikel fertigzubekommen, würde es in den nächsten Tagen wohl nicht geben.

„Da ist Liz!“, schrie Leni plötzlich und riss ihn damit aus den Gedanken. Tatsächlich entdeckte nun auch Fynn Max’ Älteste neben diesem vor dem mit Ballons und einer Happy-Birthday-Girlande geschmücktem Gartentor.
Das Geburtstagskind trug ein buntes Kleid und ihr braunes langes Haar fiel ihr glatt bis zur Mitte des Rückens und wurde durch einen schmetterlingsbesetzten Haarreif zurückgehalten.

Max beugte sich nun zu ihr, zeigte auf den Wagen und aufgeregt begann die Kleine zu winken. Sofort plapperten die Zwillinge durcheinander und rutschten ungeduldig auf ihren Sitzen herum. Sobald der Wagen stand und Dom seine Nichte abgeschnallt hatte, hüpfte sie auch schon in Lizas Richtung.
Fynn hingegen hatte bei Silas Gezappel mehr Schwierigkeiten, diesen von seinem Gurt zu befreien und erntete deswegen auch empörtes Geschnatter. Dadurch etwas verspätet erreichte schließlich auch er die Mädchen und zusammen verschwanden sie sogleich Richtung Garten. Derweil tauschten er und Dom die Plätze und dieser gab ihm die Schlüssel.

„Ich bin dann um sechs wieder da und wenn was ist, ich hab das Handy-“

„Was soll denn sein?“, unterbrach Dominique ihn amüsiert. „Das ist nicht der erste Kindergeburtstag, den Nele stemmt. Sieh du zu, dass du fertig wirst.“ Schnell beugte sich Dom zu ihm und küsste ihn, bevor er zu seinem besten Freund schlenderte, der immer noch vor dem Gartentor auf ihn wartete.
Kurz schaute Fynn ihm hinterher, seufzte und stieg ein.

Er sah es jetzt schon kommen, dass er sich stündliche Kontrollanrufe trotzdem nicht würde verkneifen können.


~.~


Glucke, dachte Dom liebevoll, blickte noch einmal über die Schulter, um sich dann ein wenig verwundert umzuschauen, als er zu Max trat und ihn begrüßte.

„Wo ist denn David?“, frage er, nachdem sie sich die Hände geschüttelt hatten, denn der Kleine klebte für gewöhnlich an seinem Papa. Dieser seufzte schwer und rieb sich über den Nacken, als sie nun ebenfalls den Weg in den Garten einschlugen.

„Er hat sich mit Liz gestritten und verkriecht sich irgendwo. Es seien ihre Gäste und die würden alle nur wegen ihr kommen“, erläuterte Max und schüttelte ratlos den Kopf.

„Nun ja, zumindest bei Silas stimmt das nicht“, meinte Dom und vergewisserte sich mit einem schnellen Blick, dass mit diesem und Leni alles in Ordnung war. Doch die umringten bereits mit fünf anderen Kindern Nele, die gerade eine Schüssel Kinderpunsch auf den Gartentisch abstellte.

„Das wird ihn trösten, wenn ich ihn denn finde“, seufzte sein Kumpel schwer, und Dom klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter.

„Komm, ich helf dir suchen, hm?“, schlug Dom vor und erntete daraufhin ein dankbares Lächeln. Gemeinsam machten sie sich auf die Suche und durchkämmten gerade das Untergeschoss es Hauses, als plötzlich Silas neben Dom auftauchte.

„Was macht ihr? Spielt ihr Verstecken?“, wollte der Junge wissen und musterte seinen Onkel.

„So etwas in der Art. Wir suchen David“, erklärte Dom.
Kurz runzelte der Kleine die Stirn und verkündete dann: „Ich finde Davi schon.“ Und damit war auch er verschwunden.

Skeptisch tauschten Dom und Max einen Blick, zuckte die Schultern und suchten weitern. Doch keine zehn Minuten später kamen die beiden Jungen tatsächlich hinter dem Gartenschuppen hervor – darauf hätten sie selbst auch kommen können.
Der eine mit einem sichtbar verheulten, der andere mit einem sehr zufriedenen Gesichtsausdruck.

„Mädchen sind eh doof“, hörte Dom Silas durch die offene Terrassentür altklug zu David sagen, der grimmig nickte, während sie gemeinsam in Richtung Sandkasten marschierten.

„Schwestern aber auch“, fügte David hinzu.

„Und wie!“, bestätigte Silas als seien Schwestern noch viel schlimmer als Mädchen.

„Na dann schauen wir mal, wie lange der Frieden hält“, murmelte Max und betrachtete die zwei zweifelnd, als sich zu der Männerrunde eben eine solche hinzugesellte – Leni, die scheinbar keine Lust mehr auf Blindekuh hatte.
Insgeheim stimmte Dominique ihm zu, doch Max wirkte bereits jetzt so niedergeschlagen und müde, dass er die Klappe hielt.

„Ist bei dir sonst alles in Ordnung?“, hakte Dom nach, obwohl es ihm eigentlich zuwider war, seinen Freund dermaßen auszuquetschen.

„Klar, warum?“

„Du hast schon mal besser ausgesehen.“

„Oh vielen Dank für die Blumen“, grinste Max. „Aber nein, alles gut. Nur etwas Stress auf der Arbeit und dann die Vorbereitungen für das hier. Du glaubst gar nicht, wie anstrengend das ist.“

„Ich kann's mir vorstellen“, murmelte Dom, und bevor er noch weiter nachfragen konnte, denn so ganz nahm er Max diese Erklärung nicht ab, kam Nele herein.

„Übernimmst du mal kurz die Wache? Ich hol eben den Kuchen“, ohne eine Antwort abzuwarten, lief sie in die Küche, warf Dominique aber im Vorbeigehen noch ein schnelles Lächeln zu. Auch sie wirkte müde und trotz der Sonnenbräune fahl. Nein, er nahm es Max ganz und gar nicht ab.

„Also auf zur Raubtierfütterung“, witzelte Max. Kurz blickte Dom ihm hinterher und ging selbst zum Sandkasten hinüber, um dort nach dem rechten zu sehen. Doch die drei buken in friedlicher Eintracht Sandburgen, wobei Leni das Regiment innehatte und die Jungs anwies, wo der nächste Turm hin sollte.

Obwohl sich die vier im Grunde verstanden – wobei Leni es nie schmeckte, dass Liza als Älteste stets darauf pochte, beim Spielen das Sagen zu haben, schließlich war sie es sonst gewöhnt, dass ihr diese Rolle zustand – sprangen die Zwillinge gemeinsam in die Bresche, wenn Liza ihren Bruder ärgerte. In dem Punkt waren sie sich einig. Ihren Davi ärgerte niemand, außer sie selbst natürlich. Das war immerhin etwas Anderes.

Diese recht zweifelhafte Ehre fiel den Jungen deshalb zu, weil Dominique eben sein Patenonkel war und somit gehörte David irgendwie zu ihnen. Was jedoch auch bedeutete, dass sie mit ihm manchmal nicht gerade zimperlich umgingen, besonders Silas, der es toll fand, endlich einmal nicht der Jüngste zu sein. Was er David mit Vorliebe unter die Nase rieb. So auch heute, nachdem sich die Drei die Bäuche mit Kuchen vollgeschlagen und den Sandkasten wieder für sich beansprucht hatten.

„Du bist so ein Baby. Die is' doch nicht wirklich lila. Lila Kühe gibt es nicht“, behauptete Silas und sah den anderen Jungen mit den schwarzen Zottelhaaren überlegen an.

„'türlich gibt’s die! Milkakühe sind lila!“, hielt David stur dagegen.

„Die is' doch nur angemalt“, rollte Leni mit den Augen und sah von ihrem Sandkuchen auf.
Dominique, der das Ganze aus einigem Anstand betrachtete, sah das Drama schon auf seinen besten Freund zukommen und richtig. Im nächsten Moment rief David nach seinem Vater: „Papa, sag ihnen, dass es lila Kühe gibt!“, verlangte Dave und sah seinen Vater mit großen Augen an. Der war im ersten Augenblick leicht verwirrt.

„Was?“

„Na lila Kühe wie die Milkakuh“, quengelte Dave.

„Oh ähm … ach die“, hilflos blickte Max sich nach seiner Frau um, die war gerade jedoch damit beschäftigt, die anderen Kinder beim Topfschlagen zu beaufsichtigen, dann warf er Dom einen Blick zu. Dieser zuckte die Schultern und biss sich auf die Lippen, um nicht laut loszulachen.

„Sie behaupten es gibt die nicht!“, anklagend zeigte David auf die Zwillinge. Silas stand nun mit vor der Brust verschränkten Ärmchen breitbeinig da und auch seine Schwester vergaß ihren Sandkuchen und baute sich neben ihm auf.

Der Arme, dachte Dominique mitleidig. Geschlossene Front.

„Davi, es gibt auch keine lila Kühe. Nur weiße, braune und … und“, wieder sah Max seinen besten Freund an.

„Schwarze“, half Dom ihm aus.

„Richtig und schwarze“, meinte Max erleichtert, bemerkte dann aber mit Entsetzen wie sich die Augen seines Sohnes mit Tränen füllten.

„Aber Papa, warum … warum is' die denn dann im Fernsehen lila?"

„Ähm also …", ratlos wandte Max sich erneut zu Dom um, der sich schnell wegdrehte, damit Max sein Grinsen nicht sah.

„Is' die wirklich nur … nur angemalt, Papa?", flehend, so als würde Dave inständig hoffen, sein Vater würde das als Lüge abstreiten, blickte David ihn an.

„Ähm … ja, ich denk schon", stotterte Max und kratzte sich am Kopf.

„Aber Papa!", David wirkte so, als habe man ihm gerade erklärt, den Weihnachtsmann und Osterhasen gäbe es nicht und nach Max Gesicht zu urteilen, ging ihm wohl Ähnliches durch den Kopf. Ein Hoch, dass er selbst nur der Onkel war.

„Das weißt du nur nicht, weil du noch nie bei uns Zuhause warst“, meldete sich Silas wieder zu Wort. „Wenn du uns besuchst, zeig ich dir echte Kühe.“

„Wirklich?“, David zog die Nase hoch, sah dann aber begeistert zu seinem Vater. „Besuchen wir Silas bald mal, Papa? Ich will echte Kühe sehen!“

Erleichtert nickte Max. „Natürlich.“

„Oh toll“, freute sich da auch Leni und klatschte in die Hände. „Wir haben auch Schafe und Ziegen und ... und Meerschweinchen und kleine Katzen. Und die kann man alle streicheln.“

„Und nix davon is' lila“, bestätigte Silas nickend. „Zeig ich dir alles.“

„Wirklich?“, fragte Dave und Silas legte ihm einen Arm um die Schultern.

„Klar, Ehrensache.“

„Toll“, hauchte David und strahlte Silas an, der gleich ein paar Zentimeter größer wurde, bevor sie sich wieder gemeinsam um den Burggraben ihres reichlich schiefen Sandschlosses kümmerten.

„Uff“, geschafft ließ sich Max neben Dominique auf die Gartenbank fallen, die in der Nähe des Sandkastens stand. „Du hättest mir ruhig mal ein bisschen helfen können“, murrte er und griff automatisch nach Davids Pappbecher um einen Schluck daraus zu nehmen. Verzog dann aber das Gesicht.

„Ach, du hast das doch wunderbar hinbekommen. Außerdem glaubt Dave bei so was doch nur seinem Papa“, neckte Dom ihn und kassierte einen leichten Rippenstoß.

„Ich hab echt kurz mit dem Gedanken gespielt, lieber selbst eins der Viecher anzupinseln, nur um seine Seifenblase nicht zerstechen zu müssen. Wofür hat man schließlich einen Malerbetrieb“, seufzte Max und Dominique lachte los. „Ja, ja, lach du nur. Aber glaubst du, wenn Shan wieder da ist, würde das gehen und wir könnten sie mal besuchen?“

„Natürlich geht das“, stimmte Dom zu.

„Ich weiß gar nicht mehr, wann ich das letzte Mal bei euch draußen war“, überlegte Max laut. „Muss vor Liza's Geburt gewesen sein. Kommt mir vor, wie in einem anderen Leben.“ Bevor Dom darauf etwas erwidern konnte, wobei er gar nicht genau wusste, was, kam Leni zu ihm und zog ihn an der Hand.

„Wir machen Schokokusswettessen. Du musst auch“, forderte sie ihn auf.

„Ich?“, fragte Dom verblüfft und nun war es an Max, zu grinsen.

„Ja, du!“, beharrte Leni und zog noch etwas fester. Ergeben erhob er sich. Das war also die Strafe und Max schien dies ähnlich zu sehen.



~.~



Als Fynn die drei gegen Abend abholte, sah er sich in seiner Vermutung bestätigt, dass die Zwillinge dieses Mal leichter ins Bett zu kriegen seien. Sobald sie in ihren Kindersitzen saßen, gähnten sie in einer Tour. Allerdings nicht nur sie, sondern auch Dominique – was sogleich Fynns schlechtes Gewissen aktivierte.

„Ich bring sie ins Bett“, bot er daher zu Hause angekommen an.

„Ach quatsch“, widersprach Dom und unterdrückte mühsam ein Gähnen. „War gar nicht so schlimm. Ich bin-“

„Es ist trotzdem nur fair, wenn ich das hier übernehme“, blieb Fynn hart und scheuchte Dom ins Wohnzimmer. „Kannst ja schon mal den Film aussuchen.“ Nach einem weiteren Murren, fügte sich Dom schließlich und schlurfte durch den Flur. Schmunzelnd blickte Fynn ihm nach, bevor er sich um Silas und Leni kümmerte. Als die beiden wenig später im Bett lagen, fragte er noch: „Und war's schön?“

„Ja“, murmelte Silas schläfrig. „Onkel Nick hat mich nicht gefangen.“

„Mich auch nicht“, stimmte Leni ein und kuschelte sich tiefer in ihre Decke. „Er ist kein so toller Indianer Jones.“ Und damit war sie eingeschlafen. Fynn grinste immer noch, als er ins Wohnzimmer kam. Er wollte seinen Freund gerade damit aufziehen, doch dann stoppte er in der Tür.
Dominique lag ausgestreckt auf dem Sofa und schnarchte. Nein, gar nicht schlimm und fit war er ja auch noch.

Er ging zu ihm, unentschlossen, ob er ihn einfach schlafen lassen oder lieber wecken sollte, als ihn ein kleiner Klecks auf Doms Wange ablenkte. Sich etwas näher beugend inspizierte er den Fleck, der sich schließlich als Schokokussrest entpuppte. Sein Grinsen verstärkte sich und nun rüttelte er seinen Freund doch wach.

„Hey“, murmelte er, als Dom schläfrig die Augen aufschlug.

„Scheiße, bin ich eingepennt?“, gähnte dieser und reckte sich.

„Nur kurz, aber du solltest vielleicht besser ins Bett.“

„Stimmt wohl. Schande, die haben mich geschafft“, stöhnte Dom und setzte sich auf. „Dabei war's zu Anfang gar nicht so schlimm.“

„Ich hab schon gehört. Warst wohl nicht schnell genug, was? Hast du keinen gefangen?“

„Natürlich hab ich jemanden gefangen!“, entrüstete sich Dom. „Für was für 'ne Schnecke hältst du mich denn?“

„Na ich dachte ja nur“, tat Fynn unschuldig. „Und wen?“ Dominique schnaubte über Fynns Fragestellung. Wen, nicht wie viele. Doch dann wirkte Dom plötzlich unbehaglich.

„Liz“, gab er schließlich zu und Fynn lachte los.

„Ob sie dir das jemals verzeiht?“, gluckste Fynn und Dom verzog das Gesicht.

„Ihr Lieblingsonkel bin ich jetzt jedenfalls nicht mehr.“

„Oh“, machte Fynn mitleidig, schlang die Arme um Dominiques Schultern und küsste ihn auf die Wange. „Du wirst es überleben. Ich rutsch einfach auf Platz zwei ein bisschen, dann machen wirs uns da zusammen kuschelig. Ach nee, warte. Vielleicht kann ich ja das Treppchen erklimmen.“

„Ich wusste es! Verräter. Aber wenn du lieber die Karriereleiter erklimmst, als mit mir zu kuscheln, bitte.“

Breit grinsend zog Fynn ihn noch näher. „Schatz, ich mach doch fast nichts lieber als mit dir zu kuscheln. Das weißt du doch – außer natürlich CSI gucken und Fußball spielen“, erklärte Fynn nachdenklich und fügte, bevor Dom auffahren konnte schmunzelnd hinzu: „Du hast da übrigens was. Ist das Schokokuss?“ Amüsiert wies er auf Doms Wange.

Erschrocken rieb sich dieser über die Stelle. „Ja“, murrte er und berichtete auf Fynns fragenden Blick: „Leni hat darauf bestanden, dass ich auch einmal versuche, einen von den Dingen von einem Luftballon zu essen.“ Fynn lachte abermals auf und kassierte dafür einen bösen Blick. Himmel, das hätte er zu gerne gesehen. „Weißt du überhaupt, wie schwer das ist? Ich hatte das Zeug überall nur nicht im Mund.“

„Wen muss ich dafür denn killen? Max oder Nele?“, grinste Fynn breit und setzte sich etwas bequemer hin und drehte sich einer Eingebung folgend so, dass er die Schultern seines Freundes massieren konnte. Er war ja kein Unmensch. Seufzend lehnte der sich zurück.

„Max, er musste sich für seine Prinzessin ja was ganz Tolles einfallen lassen. Aber killen musst du ihn nicht.“

„Oh wie kommt's?“, wollte Fynn überrascht wissen.

„Er gefällt mir in letzter Zeit nicht. Er behauptet, es läge am Stress auf der Arbeit.“

„Du glaubst ihm nicht?“

„Nein“, gab Dominique zu, und obwohl Fynn sein Gesicht nicht sehen konnte, wusste er, dass nun eine kleine Falte zwischen seinen Augenbrauen auftauchte.

„Was vermutest du? Läuft's mit Nele schlecht?“ Dom zuckte leicht die Schultern.

„Ich weiß es nicht und eigentlich schien zwischen ihnen alles okay. Sie haben sich normal verhalten“, grübelte Dom, und nun runzelte auch Fynn die Stirn. Normal bedeutete bei den beiden seit geraumer Zeit, dass sie einander wie gute Freunde behandelten, aber bei Weitem nicht wie ein Liebespaar.

„Das renkt sich schon wieder ein“, murmelte Fynn schmiegte sich aber automatisch näher an Dom.

„Hm, ich hoffe es“, murmelte dieser, klang jedoch nicht besonders optimistisch.



~tbc~

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